Gefährden allochthone Mauereidechsen autochthone Zaun- und Waldeidechsen-Populationen?

Manuscript bereits veröffentlicht in: Dortmunder Beiträge zur Landeskunde (naturwiss. Mitt.) 35: 187-190


Gefährden allochthone Mauereidechsen autochthone
Zaun- und Waldeidechsen-Populationen?

DETLEF MÜNCH, Dortmund 2001

Zusammenfassung

Obwohl die Mauereidechse (Podarcis muralis) in Deutschland häufiger mit der Zauneidechse (Lacerta agilis) und seltener mit der Waldeidechse (Zootoca vivipara) syntop vorkommt (GÜNTHER, R. ET AL 1996) könnte die widerrechtliche Ansiedlung fremdländischer Mauereidechsen zur Ausrottung kleinerer, heimischer Eidechsen-Populationen beigetragen haben. Dies wird im folgenden an zwei Fällen aus dem östlichen Ruhrgebiet dargestellt.

1. Die Waldeidechse an den Ruhrsteilhängen in Dortmund-Hohensyburg

Erstmals beschrieb MÜNCH (1991) das gemeinsame Vorkommen der Waldeidechse mit einer allochthonen Mauereidechsenpopulation an den sonnenexponierten, felsigen, vegetationsarmen Ruhrsteilhängen in Dortmund-Hohensyburg direkt neben einem Fuß- und Radweg (MTB 4519/R2602,7, H 5699,2).
Das Habitat zählt neben den Innenstadtbezirken zu den wärmsten Orten der Stadt Dortmund. Es handelt sich um eine regelrechte Wärmeinsel mit starker Aufheizung und nur geringer Abkühlung (KVR 1986), so dass es sich um den einzigen klimatisch geeigneten Standort in Dortmund handelt.
Schon 1987 betrug das Verhältnis der beobachteten Mauereidechsen zu den Waldeidechsen 3:1. Seit 1997 konnten keine Waldeidechsen mehr nachgewiesen werden und es hatte sich nach REICHLING (1995, 1996) eine sich stark ausgebreitete, erfolgreich reproduzierende Mauereidechsen-Population etabliert, wobei sich die Habitatsstrukturen bis auf eine geringe Zunahme der Verbuschung nicht verändert hatten. Am 25.06.2001 konnten zwischen 17:00 und 18:00 Uhr 13 adulte und subadulte Individuen auf 12 Quadratmeter Felsenfläche beobachtet werden.

Abb.1 Mauereidechsenhabitat an den Ruhrsteilhängen in Dortmund-Hohensyburg.
Abb.2 Mauereidechse an den Ruhrsteilhängen in Dortmund-Hohensyburg.

2. Die Zauneidechse an einer Trockenmauer in Witten-Bommern

Konnten bis 1998 lediglich nur jeweils ca. 5 adulte Zauneidechsen beiderlei Geschlechts an einer sonnenexponierten ca. 1 m hohen und ca. 30 m langen Trockenmauer und den darüber befindlichen vegetationsarmen, sandig-lockeren Boden im Muttental in Witten-Bommern an einer schmalen Anliegerstraße / Wanderweg (MTB 4509, R2591,9: H5700,0) nachgewiesen werden, so hat sich die Situation 2001 grundlegend verändert.
Am 24.6.2001 wurden in diesem Habitat, das zwischenzeitlich sehr stark verbuscht ist, von 16.00 - 19.00 Uhr erstmalig nur noch 6 adulte Mauereidechsen beiderlei Geschlechts beobachtet, die das Hohlraumsystem der Mauer besiedelten. Auch bei weiteren Begehungen bis August wurden außer den Mauereidechsen keine weiteren Zauneidechsen mehr festgestellt.

Abb.3 Mauereidechsenhabitat an einer Trockenmauer in Witten-Bommern.
Abb.4 Mauereidechse an einer Trockenmauer in Witten-Bommern.

3. Aussterbehypothese

Die natürliche Verbreitungsgrenze der Mauereidechse in Deutschland liegt ca. 60 km südlicher der untersuchten Habitate (SCHLÜPMANN & GEIGER 1998), so dass es sich um allochthone Mauereidechsen handeln muss, die naturgemäß auch nicht aus einer Terrarienhaltung entwichen sind, sondern bewusst von einem Reptilienkundigen an den einzig möglichen artspezifischen Habitaten angesiedelt worden sind. Der geographische Ursprung der Mauereidechsen ist bisher noch unbekannt. Möglich ist allerdings auch, dass die Mauereidechsen als Urlaubsmitbringsel von Unkundigen einfach dort ausgesetzt worden sind, wo bereits Eidechsen vorkamen, damit sich die neuen Tiere "in Gesellschaft wohl fühlen können".
Aus der rein phänomenologischen Beobachtung der Ausbreitung des Mauereidechsenbestandes und des Erlöschens der Waldeidechsen- und Zauneidechsenpopulationen kann nur spekulativ auf die Rückgangsursachen geschlossen werden. Da die Zauneidechse kleine Eidechsen nicht verschmäht und auch Reptilieneier frisst (BISCHOFF 1984), wäre eher zu erwarten gewesen, dass die auch morphologisch stärkere Art eher die kleinere Mauereidechse verdrängt als umgekehrt. SCHLÜPMANN (1996) befürchtet keinerlei nachteilige Wirkungen auf die heimische Tierwelt durch die ausgesetzten Eidechsen. Neben des Verbuschungseffektes für die Zauneidechse (gilt allerdings ebenso für die Mauereidechse) könnten als Aussterbeursachen für beide Eidechsenarten interartliche Konkurrenz, interartlicher Stress, ein langsameres Fluchtverhalten (GRUSCHWITZ & BÖHME 1986), eine größere Empfindlichkeit gegenüber ständigen anthropogenen Störungen, eine stärkere Gefährdung durch den Straßen- und Radfahrerverkehr oder das Einschleppen fremdländischer Viren und Parasiten eine Bedeutung haben.

Literatur

BISCHOFF, W. (1984): Lacerta agilis - Zauneidechse. - In: BÖHME, W. (Hrsg. 1984): Handbuch der Reptilien und Amphibien Europas. - Bd. 2 / I Echsen II. S. 23 - 68, Aula, Wiesbaden.
GRUSCHWITZ, M. & BÖHME, W. (1986): Podarcis muralis Mauereidechse. - In: BÖHME, W. (Hrsg. 1986): Handbuch der Reptilien und Amphibien Europas. - Bd. 2 / II Echsen III. S. 155 - 208, Aula, Wiesbaden.
GÜNTHER, R., LAUFER, H. & WAITZMANN, M. (1996): Mauereidechsen Podarcis muralis. - In: GÜNTHER, R. (Hrsg. 1996): Die Amphibien und Reptilien Deutschlands. - S. 600 - 616, Fischer, Jana.
MÜNCH, D. (1992): Ausgesetzte Amphibien- und Reptilienarten in Dortmund und weitere herpetologische Kurzmitteilungen. - In: Dortmunder Beiträge zur Landeskunde, 26: 43 - 45, Dortmund.
KVR (1986): Klimaatlas der Stadt Dortmund. - Essen.
REICHLING, H. J. (1995): Mauereidechsen leben am Ardeyhang. - In: CINCLUS, 23 (1): 3 - 7, Herdecke.
REICHLING, H. J. (1996): Neue Beobachtungen über die Mauereidechsenpopulation am Ardeyhang. - In: CINCLUS, 24 (1): 36 - 41, Herdecke.
SCHLÜPMANN, M. (1996): Zum Status der Mauereidechsenpopulation am Ardeyhang bei Hohensyburg, Dortmund. In: CINCLUS, 24 (1): 20 - 26, Herdecke.
SCHLÜPMANN, M. & GEIGER, A. (1998): Arbeitsatlas zur Herpetofauna von Nordrhein-Westfalen 1998. - In: Ergebnisbericht Nr. 8. Recklinghausen.